Die A-Junioren sind aus der Bundesliga abgestiegen, die B-Junioren ebenfalls. Mit einem Schlag ist der Nachwuchs von Rot-Weiss Essen aus der Bundesliga verschwunden. Und im Zuge dessen musste auch die U16 in der Niederrheinliga ihren Platz räumen. Drei Abstiege in einer Saison: Wie hart hat dieser Absturz die Verantwortlichen getroffen? Wie konnte so etwas passieren und vor allem: Wie geht es weiter im Nachwuchsleistungszentrum? Andreas Winkler, RWE-Sportdirektor Nachwuchs und Entwicklung, stellte sich den Fragen.
Hallo Herr Winkler, die U19 und U17 sind aus der Bundesliga abgestiegen. Doppelter Abstieg, doppelter Schmerz? Wie fühlt man sich nach einer solch schlechten Saison? Es ist ernüchternd und natürlich sind wir alle enttäuscht, das ist doch logisch, aber es geht auch immer wieder weiter! Das ist schließlich unser Job. Spätestens nach unserer eingehenden Analyse in der vergangenen Woche schauen wir nur noch nach vorne.
Nachdem beide Mannschaften in der vergangenen Spielzeit für RWE-Verhältnisse eine starke Saison ohne Abstiegssorgen gespielt hatten, war es aber vielleicht doch überraschend. Woran hat es denn gelegen? Im Nachwuchsbereich werden die Kader jede Saison neu zusammengestellt, da im absoluten Leistungsbereich nur mit Jahrgangsteams gespielt wird. Daher muss man leider immer mit solchen Entwicklungen rechnen. Nach einem erfolgreichen Jahr kann es so auch schnell wieder runter gehen. Selbst renommierte Klubs wie Borussia Mönchengladbach oder Bayer Leverkusen sind irgendwann schon mal unten reingerutscht. In einer 14er-Bundesliga ist es extrem schwer, sich zu behaupten und es erfordert immer größere Anstrengungen, weil viele Konkurrenten extrem zulegen - sportlich, aber auch bei der Infrastruktur.
Aber mit der U17 des Hombrucher SV, der sich gerettet hat, sollte RWE doch konkurrieren können, oder? Dazu sollte man wissen, dass die Hombrucher eine Kooperation mit Borussia Dortmund haben.
Aber was ist denn bei RWE nun schiefgelaufen? Bei der U19 hatten wir dieses Mal kein eingespieltes Gerüst aus der erfolgreichen Vorsaison, und wir mussten schon ab dem ersten Spieltag mit sechs Jungjahrgängen antreten. Dass es eine schwierige Saison werden würde, war uns von vornherein klar. Dazu kam noch, dass sich Mannschaft und Trainerteam sehr kurzfristig aufeinander einstellen mussten. Bei der U17 hat die Qualität und besonders die Einstellung eigentlich gestimmt, gegen die Favoriten der Liga haben wir oft sehr gut ausgesehen. Wir haben immerhin 28 Punkte geholt, damit ist bislang noch kein Verein aus der B-Junioren-Bundesliga abgestiegen. Unterm Strich hat uns Konstanz gefehlt und vor allem Spieler, die zuverlässig Tore machen. Chancen hatten wir ja genug.
Nun geht es weiter in der Niederrheinliga. Was wird sich dadurch verändern? Wirkt es sich auf die Arbeit im Nachwuchsleistungszentrum aus? Da wird sich gar nichts ändern. Die Qualität der Ausbildung von der U9 bis zur U19 muss konstant hoch bleiben, unabhängig von der Liga, in der die Mannschaften gerade spielen. Wir können nicht nur auf die Tabelle schauen und alles am Erfolg messen, sondern es geht bei uns vornehmlich um eine erstklassige Ausbildung. Natürlich wird es nun schwerer, Spieler für uns zu begeistern. Allerdings muss sich kein Talent, das zu uns kommt, Sorgen machen, dass es verkümmert. Schließlich ist unser NLZ nicht nur eine rot-weisse Philosophie und eine Säule in unserem Klub, sondern auch ein nachhaltiges Geschäftsmodell, wenn man an die hohen Ausbildungsentschädigungen im Leistungsfußball denkt.
Das heißt, es ist nicht nur Prestigeobjekt eines Viertligisten, sondern Sie profitieren auch davon? Ja, das ist kein Geheimnis. Vor einem Jahr haben wir am Ende der Saison 14 Spieler an Großklubs wie u.a. Schalke und Gladbach abgegeben, wo die meisten Jungs ebenfalls Stammspieler geworden sind. Für diese 14 Spieler haben wir knapp 100.000 Euro an Ausbildungsentschädigung eingenommen. Dadurch finanzieren wir uns bei guter Ausbildung zum einem Teil selbst. Aber klar ist auch, dass wir hier alles in allem, finanziell und infrastrukturell, absolut auf einem „Low Level“ arbeiten, weniger geht fast nicht bei dem Rahmen, den der DFB vorgibt. In diesem Jahr werden wir in etwa den gleichen Aderlass haben. Aber in der U19 hatten wir bereits viele Jungjahrgänge vertraglich gebunden. Das spricht für unsere Arbeit. In der ewigen Bundesliga-Tabelle stehen wir mit der U17 und U19 unter den Top-Zehn. Das zeigt auch die Kontinuität und Qualität, die hier produziert wird.
Trotz des Doppel-Abstiegs? Natürlich. Vor allem in der Torwartausbildung sind wir bundesweit mit vorn dabei. Nicolas Moritz ist von uns nach Gladbach gegangen und mittlerweile Nationaltorhüter der U20. Niclas Thiede und Florian Kraft (beide VfL Bochum/ Anm. d. R) waren ebenfalls bei uns und sind U-Nationalspieler geworden. Und Hendrik Bonmann, der beim BVB schon zum Champions- League-Kader gehörte, hat bei uns gespielt, übrigens in der A-Jugend zeitweise nur an Nummer zwei hinter Robert Moewes, und das auch noch in der Niederrheinliga.
Toni Kotziampassis hat in der Endphase der Saison die U19 und U17 übernommen. War er mit der Aufgabe vielleicht überfordert? Nein. Wir hatten uns überlegt, welche Alternativen es so kurzfristig gibt. Und der Spielplan beider Mannschaften gab es her, dass Toni sich erst voll und ganz um die U19 kümmern konnte, weil die U17 Spielpause hatte. Es war die beste Lösung, es gab auch zu keiner Zeit Überschneidungen. Für Toni war es keine Doppelbelastung, aber sicherlich eine ungeheure Verantwortung.
Planen Sie weiterhin mit ihm? Warum sollten wir nicht mit Toni weitermachen? Er lebt für Rot-Weiss Essen, ist tausendprozentig engagiert. Auch Jürgen Lucas wäre früher fast mal mit der U17 abgestiegen. Damals hätte ihn auch niemand im NLZ in Frage gestellt.
Steht dem Verein eigentlich auch in solchen Fragen der neu gegründete sportliche Beirat zur Seite? Der Beirat ist ein Beratungsgremium für Vorstand und Aufsichtsrat, nicht für das operative Geschäft.
Welche Ziele hat sich der RWE-Nachwuchs für die kommende Saison gesetzt? Natürlich wollen wir oben mitspielen. Aber aufzusteigen ist immer schwierig, egal in welcher Altersklasse. Auf jeden Fall werden wir als ehemaliger Bundesligist nicht unterfordert sein, da alle Gegner an ihre absolute Grenze gehen werden. Wir gehören bei der U19 zu den Favoriten, doch die Niederrheinliga ist nicht nur wegen Aufsteiger ETB oder Vizemeister FC Kray anspruchsvoll genug, dass wir immer mit der entsprechenden Einstellung auflaufen müssen. Und für diejenigen von uns, die schon Bundesliga gespielt haben, ist es eine neue Herausforderung, nun immer mit der Haltung des „Gewinnen-Müssen“ ins Spiel zu gehen.